Über Einzelkinder gibt es oftmals Vorurteile. Zu unrecht, wie Linda Dee vom Pädagogium Baden-Baden findet. | Foto: Nathanael Kiefer / Adobe Stock

Pädagogium Baden-Baden

Typisch Einzelkind: Was ist dran an den Vorurteilen über es?

Fluch oder Segen? Wer als Einzelkind aufwächst, kennt die vielen Vorurteile, die hierzulande herrschen: verwöhnt, unerzogen, egoistisch. Aber was ist dran an diesen doch eher negativen Eigenschaften, die allein aufwachsenden Kindern gern angedichtet werden? 

Der Trend zum Einzelkind, den man in den USA übrigens „One and done“ nennt, ist auch in Deutschland deutlich zu spüren. Eine Studie des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2022 zeigt, dass nahezu jedes zweite Kind in Deutschland als Einzelkind aufwächst. Keine Seltenheit also.

Zu dieser Entscheidung tragen sicherlich finanzielle Gründe genauso bei wie die grundlegende Entscheidung, eben nur ein Kind haben zu wollen. Schließlich gibt ein Einzelkind Vater und Mutter die Chance, auch neben dem Elterndasein noch genug Zeit für sich zu haben.

Ein Einzelkind kann sich der vollen Aufmerksamkeit seiner Eltern sicher sein, was vermuten lässt, dass die Bindung zwischen Kind und Eltern weitaus enger ist. Mehr Zeit für die kindlichen Sorgen und Nöte, mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung in schulischen Dingen – Einzelkinder gehören in dieser Hinsicht eher auf die Segen-Seite.

Außerdem, und das könnte ein weiterer positiver Punkt in der Einzelkind-Betrachtung sein, sind Kinder, die alleine aufwachsen, eher in der Lage, sich über längere Zeit selbst zu beschäftigen und werden dementsprechend früher selbstständig. Sie lernen, ohne den großen Bruder oder die große Schwester, Entscheidungen zu treffen und die Konsequenzen daraus zu tragen. Warum also nur dieser schlechte Ruf? 

Wächst man ohne Geschwister auf und arbeiten beide Elternteile viel, kann hier und da schon mal jemand zum Spielen fehlen. Natürlich lässt sich dies teilweise durch Freunde oder durch Cousin oder Cousine ausgleichen. Aber ein Ersatz für ein enges Familienmitglied, das im selben Haushalt wohnt, wird eine Kinderfreundschaft selten bieten. Und was die Sozialkompetenz von Einzelkindern betrifft, auch hier könnte man einen Nachteil für ein allein aufwachsendes Kind erahnen.

Allerdings ist es nicht nur das häusliche Umfeld, das vorlebt, wie man Streitigkeiten löst. Die vorschulische Situation und auch die Einstellung der Eltern spielen hier eine große Rolle. Hat das Kind beispielsweise schon vor dem Kindergarten eine Kinderkrippe besucht und wird es in seiner Freizeit nicht komplett durch verschiedenste Hobbys und Vereine verplant, so kann auch ein Einzelkind sehr wohl lernen, sich in Konfliktsituationen zu behaupten.  

Wird von dem einzigen Kind der Familie jedoch zu viel erwartet, sei es in schulischer und beruflicher Hinsicht oder auch dahingehend, was die spätere Familienplanung betrifft, dann kann das belastend sein. 

Zum Glück ist jeder Mensch und somit auch jedes Kind einzigartig und einfach nur einen „Ego-Mantel“ über ein Einzelkind zu werfen, gehört eher in die Vorurteilskiste, die heutzutage wirklich niemand mehr braucht.

Linda Dee, Pädagogium Baden-Baden, Klasse 9b