Wir sind Schüler der Klasse 9b im Gymnasium Achern und schreiben ein Interview über Klimaschutz. Das Thema ist im Moment sehr aktuell in unserer Gesellschaft. Jeden Tag schmelzen in Grönland etwa acht Milliarden Tonnen Eis. Durch die Pandemie und den aktuell herrschenden Krieg in der Ukraine geriet der Klimawandel in den Hintergrund der Berichterstattung. Wenn das sogenannte 1.5 Grad Ziel nicht eingehalten wird, wird es laut Experten zu starken Überschwemmungen, vermehrten Waldbränden, Artensterben, Schmelzen der Gletscher und drastischen Änderungen des Klimas kommen. Lässt sich dieses Worst-Case-Szenario überhaupt noch verhindern – und wenn ja, wie?
Wir befragten unseren früheren Biologielehrer und nun baden-württembergischen Landtagsabgeordneten der Grünen, Bernd Mettenleiter.
Was ist das deutsche Klimaziel?
Mettenleiter: Ziel der Bundesregierung ist es, Deutschland bis 2045 Treibhausgas-neutral zu machen – bis dann müssen alle Treibhausgase vermieden oder wieder gebunden werden. Das Zwischenziel für 2030 sieht Einsparungen von 65 Prozent gegenüber 1990 vor. In Baden-Württemberg sind wir mit unserer grün-geführten Regierung sogar noch ambitionierter: Bis zum Jahr 2040 soll Baden-Württemberg klimaneutral sein.
Wie kann man dieses Ziel erreichen?
Mettenleiter: Die Erreichung der Klimaziele erfordert grundlegende Umstellungen in allen Lebens- und Wirtschaftsbereichen. Politik, Wirtschaft und Konsumenten – alle müssen an einem Strang ziehen.
Dabei sollten wir uns auf die größten Verursacher von Emissionen konzentrieren. Dies sind:
- Mobilität und Verkehr: Mehr Bus, mehr Bahn und mehr Radverkehr, darüber hinaus Elektroautos, und Carsharing.
- Wohnen und speziell Wärme: Wir müssen bestehende Gebäude energetisch sanieren und Neubauten so energieeffizient wie möglich bauen.
- Ernährung und Landwirtschaft: Dünger und Pflanzenschutzmittel erzeugen Treibhausgase. Im Ökolandbau werden hingegen keine industriellen Dünger verwendet, daher schützen biologisch erzeugte Lebensmittel das Klima. Der zweite große Hebel für mehr Klimaschutz im Landwirtschaftsbereich ist unsere eigene Ernährung. Tierische Produkte hinterlassen einen deutlich größeren ökologischen Fußabdruck als pflanzliche Lebensmittel.
- Energieerzeugung und Energieverbrauch: Strom aus Wind, Sonne und Wasserkraft verursacht keine Treibhausgase. Gleichzeitig müssen wir unseren Energieverbrauch reduzieren.
Kann man dieses Ziel mit der deutschen Klimapolitik erreichen?
Mettenleiter: Grundsätzlich ja. Die deutsche Politik stellt momentan alle Weichen so, dass der Wandel hin zu einem klimaneutralen Deutschland gelingen kann. Gleichzeitig gibt es natürlich Hürden, die es zu überwinden gilt. Beispielsweise hängt die Art der Landwirtschaft auch davon ab, wie die sogenannte Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union gestaltet ist.
Wenn nicht, was müsste man ändern, um das Klimaziel zu erreichen?
Mettenleiter: Das Erreichen unserer Klimaziele ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Damit wir unsere Klimaziele erreichen, müssen wir alle an einem Strang ziehen. Die politischen Entscheiderinnen und Entscheider müssen die richtigen Rahmenbedingungen setzen, die Kommunen und Städte müssen willens sein, diese Entscheidungen vor Ort umzusetzen, die Wirtschaft muss Willen zur Transformation beweisen, und jede und jeder Einzelne kann einen Beitrag leisten.
Wie ist Ihre persönliche Meinung zu Klimademos?
Mettenleiter: Es ist wichtig, dass gerade junge Menschen für eine lebenswerte Zukunft auf die Straße gehen, da sie besonders betroffen sein werden. Lange Zeit wurde das Thema Klimaschutz nicht ernst genommen. Das haben die Freitagsdemos geändert.
Was halten Sie davon, dass in Grönland jeden Tag acht Milliarden Tonnen Eis schmelzen?
Mettenleiter: Diese rapiden Veränderungen führen uns vor Augen: Wir sind bereits mittendrin im Klimawandel und jeden von uns wird es betreffen. Auch wenn die Eisschmelze weit weg in Grönland stattfindet: Den steigenden Meeresspiegel spüren wir weltweit!
Denken Sie, man kann die Ziele überhaupt erreichen, oder ist das nicht möglich?
Mettenleiter: Diese beiden Fragen möchte ich gemeinsam beantworten. Zunächst: Ich hoffe, dass wir das 1,5 Grad-Ziel erreichen. Wenn wir das Ziel nicht erreichen, dann gibt es massivste Auswirkungen, und daher setze ich mich in meinem politischen Wirken für das 1,5 Grad Ziel ein.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Der letzte Bericht des Weltklimarates zum 1,5-Grad-Ziel spricht eine andere Sprache: Laut ihm kann das 1,5-Grad-Ziel eigentlich nicht mehr eingehalten werden. Wir werden ziemlich sicher mit einer vorübergehenden Überschreitung dieser Temperaturgrenze – einem sogenannten Overshoot – rechnen müssen. Aber wir könnten es schaffen, die Überschreitung rückgängig zu machen, falls wir tatsächlich das Ziel von „Netto Null“-Emissionen bis 2050 (für 1,5 Grad) bzw. 2070 (für 2 Grad) erreichen. Das gelingt jedoch nur, wenn die globalen Emissionen spätestens ab 2025 sinken und ab 2030 eine Reduktion von minus 43 Prozent (für 1,5 Grad) bzw. von minus 25 Prozent (für 2 Grad) erreicht werden.
Für mich heißt das, dass wir uns in Deutschland jetzt erst recht und mit vollem Elan der Sache widmen müssen, um als Vorbild voranzugehen und um unsere schöne Erde auch für diese und kommende Generationen zu einem lebenswerten Ort zu machen.
Jascha Frank, Tim Schwarz, Janik Raimondo, Marcel Carius, Bernd Mettenleiter | Klasse 9b
Gymnasium Achern