„Ich will mir nicht vorwerfen lassen können, nichts getan zu haben!“ Was wie ein Zitat von Sophie Scholl klingt, ist der Satz der 15-jährigen Rastatterin Zazou. Wütend über die aktuellen politischen Geschehnisse hat sie sich mit anderen zusammengetan, um sich ihre Empörung vom Leib zu schreiben. „Bei all dem Negativen hat Trump etwas Gutes. Er politisiert die jungen Leute“, sagt dazu Ute Kretschmer-Risché. Die ausgebildete Journalistin hat die Jugendlichen zusammengebracht und unterstützt sie als Chefredakteurin. Gemeinsam sind sie „Ravolution“, ein Onlinemagazin für Jugendliche von Jugendlichen.
Rastatt und Revolution, das ist das, was sie verbindet. Dabei scheint ihre Zusammensetzung durchaus bürgerlich, in der Redaktion sitzen ausschließlich angehende Abiturienten der örtlichen Gymnasien und der Waldorfschule. Sie treffen sich einmal wöchentlich, um über ihre nächste Ausgabe zu sprechen. Kretschmer-Risché gibt dabei Hilfestellung, referiert über journalistische Themen wie den Pressekodex und korrigiert die Texte. „Entweder wird man von ihr in der Luft zerrissen oder man bekommt Verbesserungsvorschläge“, sagt die 19-jährige Paula dazu schelmisch.
Politik ist bei den Klassenkameraden kein Thema
Kretschmer-Risché ist es auch, die im Frühjahr 2017 „Ravolution“ gründete. „Ich habe ein großes Interesse von jungen Menschen an Journalismus bemerkt“, begründet sie ihren Schritt zu dem Onlinemagazin. Im Unterricht würden tagesaktuelle politische Themen nur bei engagierten Lehrern besprochen werden, oft werden sie gar nicht behandelt. Und die Redaktionsmitglieder berichten einstimmig darüber, dass es schwer sei, mit ihren Klassenkameraden über Politik zu sprechen.
Am Anfang wird heftig diskutiert
Und so war es naheliegend, dass sich die jungen Leute zusammenschlossen, um zu schreiben und um gemeinsam über Politik zu diskutieren. Dementsprechend sieht ihre Redaktionssitzung aus. „Wir beginnen immer mit tagespolitischen Themen wie #metoo oder der Jamaikakoalition“, erklärt der 19-jährige Laurin. Dabei kann es heiß hergehen. „Die Diskussionen sind schon hart, vor allem wenn man nur Gegenstimmen hat. Trotzdem ist es gut, dass wir andere Perspektiven sehen“, so Vivien, die einzige FDP-Anhängerin der Gruppe. Bei ihnen seien alle Richtungen vertreten, von ganz links bis konservativ und liberal. Nur in ihrer Ablehnung der AfD gegenüber sind sie sich einig.
“Ravolution” und BNN
bnn.de bringen künftig immer einen ausgewählten Text aus der aktuellen „Ravolution“-Nummer. Pünktlich zur Veröffentlichung der neuen Onlineausgabe – diesmal wird es um das Thema „Beziehungen“ gehen – erscheint der Artikel parallel in den gedruckten BNN und auf bnn.de und gibt Einblicke in Themen, die junge Leute heute beschäftigen.
Dadurch ist auch ihre Zeitung bunt gemischt. Obwohl es ein Onlinemagazin ist, ist das Magazin doch strukturiert wie ein Printmedium. Es gibt Ausgaben, die monatlich erscheinen und unter einem speziellen Thema stehen. Ausgabe eins stand unter dem Thema Integration, die weiteren zwei Ausgaben handelten von Zukunft und Politik. Die nächsten Themen werden Beziehung und Konsum sein. Dafür werden auch laufend neue Autoren gesucht. „Zu Spitzenzeiten saßen hier schon 18 Leute“, so Kretschmer-Risché. Doch im Herbst seien einige zum Studieren weggezogen. Aktuell treffen sich etwa sieben angehende Journalisten wöchentlich. Geld verdienen sie damit aber nicht. Es gebe zwar Sponsoren und es soll auch eine gedruckte „Best-of-Ausgabe“ erscheinen. Die 17-jährige Susanna erklärt grinsend: „Wir werden zur Zeit mit Karamellbonbons bezahlt.“