In der Corona-Pandemie sind viele Menschen einsam geworden, sie sitzen zu Hause in ihrer Wohnung fest. Die Tierschutzverbände verzeichnen eine stark gestiegene Nachfrage nach Haustieren, vor allem Hundewelpen sind begehrt. Mitunter werden Tiere aber zu schnell und unüberlegt gekauft und landen dann letztendlich wieder im Tierheim. Über das Thema Haustiere, Welpenboom und Tierschutz sprachen Schülerinnen vom Bismarck-Gymnasium in Karlsruhe mit der Pressesprecherin des Deutschen Tierschutzbundes, Lea Schmitz.
Wie viele Tiere werden im Schnitt von ihren Besitzern abgegeben?
Schmitz: Die Zahl der abgegebenen Tiere aus illegalem Welpenhandel hat zwar stark zugenommen, aber die meisten Tiere werden abgegeben, weil ihre Besitzer überfordert sind: Ihnen ist nicht klar, was auf sie zukommt, also die Zeit, die der Hund kostet, zum Beispiel beim Gassi gehen, und auch die Beschäftigung. Dazu kommt natürlich auch das Verhalten der Hunde, mit dem die Besitzer vielleicht gar nicht gerechnet haben, zum Beispiel, dass das Tier doch nicht so „funktioniert“, wie sich das der Besitzer so vorgestellt hat.
Gibt es auch Leute, die ihre Tiere wegen Geld abgeben, weil sie es sich schlichtweg nicht leisten können?
Schmitz: Gibt es auch, aber ich glaube, dass man wirklich vorher alles versuchen sollte, weil jemand, der sein Tier liebt, wird es ja auf keinen Fall abgeben wollen. Aber klar, wenn es gar nicht anders geht, ist das manchmal die letzte Option. Das wird oft vor der Anschaffung unterschätzt. Gerade Tierarztkosten können schnell sehr hoch ausfallen, wenn das Tier krank oder verletzt wird und es gibt leider viele Leute, die sich nur überlegen, was das Tier in der Anschaffung kostet.
Wie ist denn gerade so die Situation im Tierschutz, hat sich etwas verändert, positiv/negativ?
Schmitz: Positiv ist, dass die Nachfrage, auch nach Tierheimtieren, stark angestiegen ist, das ist auch so ein bisschen verrückt. Gerade sehnen sich viele Menschen nach Beschäftigung und fühlen sich vielleicht einsam und das merken auch die Tierheime. Dort gibt es nämlich gerade sehr viele Anfragen und die meisten Tierheime haben auch wirklich gut vermittelt, oder haben zumindest keine Rückgänge, sodass sogar eher weniger Tiere in den Tierheimen sitzen als das normal der Fall wäre.
Das Ganze hat aber leider auch negative Auswirkungen, denn zum einen gibt es wirklich Menschen, die im Tierheim anfragen, die sich das aber nicht richtig überlegt haben. Es gab zum Beispiel auch Leute, die angefragt haben, ob sie das Tier nicht für drei Monate oder so nehmen und es dann wieder zurückbringen könnten. Und das geht natürlich nicht.
Ich sage immer, das Tierheim ist ja kein Knast. Denn klar, die Tiere wären in einem Zuhause zwar besser aufgehoben, aber sie werden im Tierheim ja trotzdem gut behandelt und es geht nicht darum, das Tier um jeden Preis wieder loszuwerden und an den Erstbesten zu vermitteln, sondern die Tierheime schauen schon, dass die Tiere dann auch bis an ihr Lebensende dortbleiben können. Dann ist es so, dass auch wegen dieser vielen Nachfragen die Tierheime teilweise gar nicht hinterherkommen, alle zu beantworten. Manchmal kommen im Laufe eines Tages oder am Wochenende hunderte Anfragen rein, gerade wenn vielleicht auch Welpen aufgenommen wurden, die aus illegalem Handel beschlagnahmt wurden. Wenn Interessenten dann abgewiesen werden, werden manche Leute richtig aggressiv und beschimpfen oder bedrohen sogar die Tierheime. Ja, manche Leute haben leider überhaupt kein Verständnis dafür, wie die Arbeit in den Tierheimen eigentlich aussieht und dass Tiere auch krank aufgenommen werden und das ist ja bei diesen Welpen meist der Fall. Sie müssen erst einmal aufgepäppelt werden.
Haben Sie das Gefühl, dass sich mehr Leute aus einer „Laune“ heraus ein Tier zulegen wollen, da sie sich während der Corona-Zeit einsam fühlen?
Schmitz: Bei kleinen Tieren wie Meerschweinchen, Vögeln und Kaninchen ist die Zahl der gehaltenen Tiere zurückgegangen, während die Anzahl der Hunde und Katzen extrem gestiegen ist. Ich denke schon, dass es mit der Einsamkeit zu tun haben könnte, da wir ja alle weniger soziale Kontakte haben und Langeweile herrscht. Und da denkt man sich: Was machen wir jetzt? Lass uns doch ein Haustier besorgen als „Corona-Projekt“. Dann hat man nämlich auch was zu tun.
Das ist ja schön, dass man eine Beschäftigung möchte und mit dem Hund Gassi geht, aber das sollte nicht der einzige Grund für ein Haustier sein. Einsamkeit und Langeweile allein sind keine Gründe, sich ein Tier zu holen, da muss man sich viel mehr Gedanken machen. Man sollte sich überlegen, wie es nach der Corona-Zeit weitergeht.
Gibt es einen Welpen-Boom zurzeit und wie stark wirkt er auf das Tierheim und den Tierschutz? Welche Folgen hat der illegale Welpenhandel?
Schmitz: Der Welpenhandel hat durch Corona einen Aufschwung erhalten. Das Problem gab es auch schon vorher, aber durch Corona ist es noch einmal verschärft worden, einfach weil die Nachfrage so hoch ist und diese das Angebot bestimmt. Die Fälle von illegalen Tierhandel werten wir jährlich aus und da hat sich gezeigt, dass seit 2020 die Zahlen hochgegangen sind. Nämlich von 366 betroffenen Hunden (2019) auf 1.014 (2020). Das sind ungefähr dreimal so viele wie im Jahr davor. Und das sind nur die Fälle, die bekannt werden.
Der illegale Tierhandel bringt viel Tierleid mit sich. „Produziert“ werden die Welpen vor allem in Osteuropa, wo die Elterntiere wirklich unter grausamen Bedingungen gehalten und ausgebeutet werden, ohne menschliche Zuneigung und ohne medizinische Versorgung. Die Welpen werden mit nur wenigen Wochen von ihren Eltern getrennt und verkauft, obwohl Welpen erst mit 15 Wochen aus dem Ausland importiert werden dürfen. Sie haben kein richtig ausgearbeitetes Immunsystem, weshalb sie an vielen Krankheiten leiden. Viele von den Welpen überleben auch nicht. Es ist sehr viel Tierleid mit dem „Geschäft“ verbunden, da es nur darum geht, Geld zu machen. Die Zeit und Energie, die Tierheime reinstecken und natürlich die hohen Tierarztkosten sind eine starke Belastung. Die Behörden übernehmen ebenfalls nicht alle Ausgaben. Das Ganze ist ein riesiges Problem für Tierheime und den Tierschutz.
Wie kann man denn erkennen, ob ein Züchter, der zum Beispiel auf Ebay verkauft, seriös ist?
Schmitz: Das ist total schwierig zu erkennen. Früher waren Anhaltspunkte dafür, dass Anzeigen in schlechtem Deutsch formuliert wurden oder sehr knappe, lieblose Beschreibungen hatten, wo auch Welpen zu einem niedrigen Preis angeboten wurden. Mittlerweile sind diese Händler aber doch sehr raffiniert und die Anzeigen wirken sehr seriös. Dadurch ist es sehr schwer bis fast unmöglich so etwas zu erkennen.
Jedoch empfängt ein seriöser Züchter Interessenten auch während der Corona-Zeit bei sich zu Hause, wo man die Welpen im Vorfeld kennenlernen kann. Wenn das verweigert wird, sollte man schon hellhörig werden. Der Abschluss eines Kaufvertrags sollte selbstverständlich sein, ebenso wie die Aushändigung eines Impfpasses. Letzterer wird oft aber auch gefälscht.
Werden jetzt gerade weniger Tiere abgegeben, weil die Besitzer mehr Zeit als sonst haben?
Schmitz: In der Corona-Zeit wurden tatsächlich weniger Tiere abgegeben; es wurden eher mehr Tiere adoptiert.Es war natürlich auch mehr Zeit für die Tiere da. Mittlerweile aber kommt es ab und zu schon vor, dass unüberlegt während der CoronaZeit angeschaffte Tiere wieder abgegeben werden, zum Beispiel, dass Leute Hunde wieder abgeben, die sie in den letzten Monaten gekauft haben, weil sie sagen, dass sie mit diesen nicht klarkommen. Solche Fälle gibt es, aber das hält sich aktuell zum Glück noch im Rahmen. Die große Sorge ist da, was passiert, wenn die Corona-Pandemie überstanden ist. Die Tierheime fürchten eine Abgabewelle.
Was wünschen Sie sich für die Zeit nach Corona?
Schmitz: Ich hoffe natürlich, dass ganz viele Leute, die sich jetzt ein Tier angeschafft haben, das gut überlegt haben oder sich zumindest ihrer Verantwortung bewusst sind, dass Tiere eben Lebewesen sind und kein Spielzeug, das man wieder weggeben kann; dass die Menschen den Tieren solange sie leben ein Zuhause geben. Und ich wünsche mir grundsätzlich, dass die Leute gut überlegen, bevor sie ein Tier anschaffen. Das ist das Wichtigste, dass man nicht aus einer Laune heraus, wie beim Kauf eines Spielzeugs ein Tier anschafft, sondern dass man gut überlegt, ob das in das Leben der Familie passt, ob alle einverstanden sind, wer sich kümmert, ob man die Zeit und das Geld hat.
Helena Walther, Elisa Ledermann und Lea Burck | Klasse 9a
Bismarck-Gymnasium Karlsruhe