Ansprechpartner für Schüler, Eltern und Lehrer ist der Schullsozialarbeiter Anton Tausch. | Foto: Klara Espenschied

Gymnasium Achern

„Gibt oft kein Richtig und Falsch, aber auch kein Normal“

Immer mehr Kinder und Jugendliche haben psychische Probleme. Doch gibt es auch immer mehr Anlaufstellen für sie, wie zum Beispiel Psychologen. Auch Schulsozialarbeiter helfen jungen Menschen mit Problemen. Einer von ihnen ist Anton Tausch. Er arbeitet seit April 2018 am Gymnasium Achern. Er ist von Beruf Sozialarbeiter und hat Sozialpädagogik und Soziale Arbeit studiert. Seinen Master hat er in Familien- und Paartherapie gemacht. Wir haben ein Interview mit ihm vorbereitet und sind gespannt, was uns erwartet: Wir werden in einem gemütlichen, kleinen Raum mit vielen Büchern empfangen und beginnen direkt mit unserer Befragung.

Was sind Ihre Aufgaben als Schulsozialarbeiter?

Tausch: Ich habe unterschiedliche Aufgaben. Zum einen ist das die Einzelfallberatung, das ist mein Hauptschwerpunkt, weil ich einfach für Schüler und Schülerinnen hier ein Ansprechpartner bin, aber auch für Eltern und Lehrer und für alle am Schulleben Beteiligten. Und Einzelfallarbeit heißt, dass ich meine Gespräche führe, die natürlich alle der Schweigepflicht unterliegen und vertraulich sind. Eine andere Aufgabe: Ich bin Anwalt der Schüler, ganz klar, wenn was ist, setze ich mich ein für sie. Das heißt im schulischen Kontext: Bei Streitigkeiten und Mobbing schaue ich, wie ich helfen kann. Was mir immer ganz wichtig ist, ist, mit den Schülerinnen und Schülern zu schauen, wie die nächsten Schritte aussehen. Und alles wie gesagt in Vertraulichkeit, und das ist vor allem für die Opfer gut, nicht für die Täter. Diese müssen dann natürlich ihre Konsequenzen bekommen, wenn ich von Mobbing spreche.

Eine andere Aufgabe ist, den Schülern in der Persönlichkeitsentwicklung zu helfen. Ich arbeite auch mit vielen externen Partnern zusammen, also ich vermittle, wenn ich das Gefühl habe, das bräuchte noch intensivere Hilfe von außen, das heißt vielleicht auch mit klinischer oder psychotherapeutischer Perspektive.

Ich arbeite mit Klassen zusammen, wenn’s mal ein bisschen knistert dort, also Thema Klassenklima oder jetzt auch Präventionsarbeit wie Faires Streiten, Umgang mit Medien oder Drogenprävention. Und bestimmt habe ich was vergessen (lacht). Das sind so die Hauptpunkte. Und Elternarbeit ist mir ebenfalls ganz wichtig. Es gibt Fälle, bei denen ganz klar ist, dass ich da ein bisschen Elterncoaching machen muss.

Warum haben Sie sich dazu entschlossen, diesen Beruf auszuüben, also Schulsozialarbeiter zu werden?

Tausch: Oh, spannende Frage (lacht). Das wurde mir tatsächlich klar, als es noch verpflichtenden Zivildienst gab. Nach dem Abi wusste ich noch nicht, was ich machen soll. Ich hatte damals eine Potentialanalyse, und da kam unter anderem bei mir Sozialarbeiter raus. Dieser Beruf hat mich auch sehr interessiert. Dann habe ich Zivildienst gemacht, in einer sozialen Einrichtung, und das war dort der Moment, wo ich dachte: Das ist es. Da habe ich aber mit Drogenabhängigen gearbeitet. Aber Sozialarbeit ist ja sehr breit. Es gibt viele Bereiche und Schule ist halt auch ein Bereich, der mir sehr viel Spaß macht.

Wie viele Patientinnen und Patienten haben Sie derzeit ungefähr?

Tausch: Tatsächlich spreche ich nicht von Patienten, in der sozialen Arbeit sagt man „Klienten“. Mit wie vielen? Natürlich, wenn ich die Schulklassen zusammenzähle, begleite ich jetzt gerade drei Klassen in einem sozialen Training. Unabhängig davon sind es bestimmt um die 40 bis 50 Schüler, die ich nochmal individuell begleite.

Haben Sie aufgrund der Corona-Pandemie mehr Fälle?

Tausch: Eine sehr spannende und gute Frage. Tatsächlich sind es so Phasen gewesen. Gerade im Lockdown musste ich gucken, wie ich in Kontakt mit den Schülern bleibe, und habe dann kreative Lösungen gesucht, wie zum Beispiel Spazierengehen. Manchmal auch per Videochat, aber oftmals ist der persönliche Kontakt wichtig. Reden durfte man ja mit Abstand. Aber da wurde klar, dass das Ende des Lockdowns ganz wichtig war. Danach hatte ich so viele Fälle, dass ich Treffen in den Sommerferien hatte. So etwas hatte ich noch nie davor. Man hat gemerkt, dass Gesprächsbedarf da war.

Was haben Sie so für Fälle im Allgemeinen?

Tausch: Es sind sehr unterschiedliche Fälle. Von Streitigkeiten über Mobbingsituationen, über Beziehungsprobleme bis Streit mit Eltern, aber auch persönliche und familiäre Probleme, Motivationslosigkeit, Lerncoaching und „Schulmüdigkeit“. Dazu kommen die Themen Konzentrationsprobleme, Konflikte mit Lehrern und in der Klasse, also wirklich ganz unterschiedlich. Bestimmt habe ich etwas vergessen. Ihr merkt, es kann alles sein. In der Oberstufe ist auch Berufsorientierung spannend, dafür hätte ich damals auch einen Berater gebraucht (lacht). Zum Glück gibt es jetzt überall an fast allen Schulen Schulsozialarbeiter.

Gibt es eine Unterscheidung zwischen einfachen und schwierigen Themen?

Tausch: Das kann ich jetzt nicht so sagen. Jeder Mensch ist einzigartig, deshalb würde ich jetzt nicht sagen „Das ist einfach, das ist schwer“.

Gibt es altersspezifische Probleme?

Tausch: Kann ich auch nicht sagen. Also ich habe wirklich alle von der fünften bis zur zwölften Klasse.

Wie helfen Sie den Schülern und Schülerinnen?

Tausch: Als Erstes ist ehrliches Zuhören ganz wichtig. Man muss verstehen, was wichtig ist, Wünsche und Bedürfnisse erkennen. Danach ist wie gesagt jeder Fall anders.

Kommen eigentlich auch Lehrer und Lehrerinnen mit Problemen zu Ihnen?

Tausch: Ja.

Hatten Sie selbst in Ihrer Vergangenheit solche Probleme?

Tausch: Ja selbstverständlich. Als Schüler gehört das doch dazu. Ich hatte damals Motivationsprobleme, gerade in der Oberstufe. Ich denke, das ist normal, dass man solche Durchhänger haben darf. Wichtig ist, dass man wieder nach oben kommt.

Konnten Sie schon einmal jemandem nicht helfen?

Tausch: Ja, es gibt Fälle, bei denen ich an meine Grenzen komme. Dann brauche ich auch therapeutische oder klinische Unterstützung von außen. Da verweise ich dann auf weitere Experten.

Ist die Zahl der Probleme innerhalb der letzten Jahre eher gestiegen oder eher gesunken?

Tausch: Durch die Corona-Pandemie sind jetzt einfach neue, andere Themen dazugekommen. Von den Fällen her sind es immer Phasen, auch Phasen mit Wartelisten. Dann muss man Prioritäten setzen. Das Thema Motivation kam durch die Pandemie neu dazu, nach zwei Jahren vor dem Bildschirm, als man währenddessen Netflix schauen konnte (lacht), das haben wir auch alle gemacht. Aber dieses wieder in Gang kommen, das ist oftmals schwierig, gerade jetzt wieder. Man muss sich Mut nehmen. Es ist okay, wieder in den Verein zu gehen oder sich mit Freunden zu treffen. Die Themen Angst und Einsamkeit waren bei vielen sehr groß.

Was haben Sie durch Ihren Beruf für Ihr eigenes Leben gelernt?

Tausch: Dass Menschen sehr unterschiedlich sind und alles okay ist, so wie es ist. Es gibt oft kein Richtig und kein Falsch, aber auch kein Normal. Normalität ist für jeden etwas anderes und das ist okay so. Wenn man das im Alltag beachtet, entwickelt man eine Toleranz und Akzeptanz, die ich gut finde. Das ist letztendlich auch mein Job: Zu sagen „Das ist okay, wenn du so lebst, das ist okay, wenn du das so siehst“. Es sei denn, dass persönliche Situation und Verhalten einen in der persönlichen Entwicklung behindern und da versuche ich dann zu helfen und Handlungsalternativen aufzuzeigen. Diese „Places to be“ werden einem auch durch Instagram vorgegaukelt, wo immer alles perfekt ist. Da ist ziemlich viel Fake dabei. Was ich lerne, ist, dass Normalität sehr unterschiedlich ist, und das ist auch okay.

Was wollen Sie den jungen Leuten, die das hier lesen, mit auf den Weg geben?

Tausch: Tolle Frage, habt ihr euch die selber überlegt? Zum einen, wie gesagt, lasst euch nicht von den Schönheitsidealen auf Instagram beeinflussen. Da ist so viel Fake dahinter. Steht zu euch, sagt „Ich bin okay, so wie ich bin“. Wenn ihr mal schwierige Phasen habt: Holt euch Hilfe. Es ist okay, sich einzugestehen, dass man Hilfe braucht. Das ist heutzutage viel normaler als vor zwanzig Jahren. Jeder hat mal Durchhänger im Leben, auch wir Erwachsenen. Scheut euch deshalb nicht, euch Hilfe zu holen in schwierigen Situationen. Akzeptiert euch, wie ihr seid. Und lernt, euch wieder zu freuen. Das würde ich mir so wünschen. Freut euch auf das, was kommt und habt keine Angst vor der Zukunft. Auch wenn es im Moment viele Krisen gibt: Seht das Positive im Leben! Und: Habt jetzt Spaß!

Vielen Dank für das Interview