Von Natalie Friedrich
Aufgeregtes Rufen und lautes Lachen erfüllt die Sporthalle des Eichendorff-Gymnasiums in Ettlingen am ersten Sommerferientag. Vier Erwachsene treten in den großen Halbkreis, die Spekulationen über die am Rand liegenden Einräder und andere Zirkus-Utensilien werden eingestellt und der Lautstärkepegel senkt sich. Nun ist lediglich Vorfreude und Neugierde in den zahlreichen Kindergesichtern zu erkennen. Anschließend wird ein dreifaches „Specht-HAUSEN!“ in die Halle geschmettert: Die Bürgerversammlung ist eröffnet.
140 Kinder und 30 Betreuer am Start
Jedes der 140 Kinder trägt einen bunten „Personalausweis“ um den Hals und ist damit Teil der „Specht-Kinderstadt“, einer Ferienbetreuung, die vom Kinder- und Jugendzentrum Specht für Interessierte aus Ettlingen angeboten wird. 30 Betreuer, die von der Bertha-von-Suttner-Schule Ettlingen, sowie aus Erzieherschulen im Raum Karlsruhe kommen, haben ein wachsames Auge auf die Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren. Eine Woche lang sind sie Bürger von „Spechthausen“, suchen sich beim Arbeitsamt einen Beruf aus, nehmen an Versammlungen teil und wählen einen Bürgermeister und eine Bürgermeisterin. Dies wird, zusammen mit der Auswahl verschiedener Berufe, zum Beispiel aus den Branchen Bäcker, Friseur, Presse und Versicherung, von den Kindern sehr positiv aufgenommen. Als sie jedoch erfahren, dass zwei der fünf verdienten „Albtaler“ pro Stunde als Steuer abgegeben werden müssen, wird das mit einem erschrockenen, kollektiven Wortgewitter quittiert. Specht-Mitarbeiter Robert Siweck erklärt den Kindern, dass sie so den Bürgermeister und das Stadtfest am Freitag finanzieren. Diese Ähnlichkeiten zur „Erwachsenenwelt“ scheinen für einige Eltern ein besonderer Anreiz gewesen zu sein, ihre Kinder in der Kinderstadt anzumelden.
Der lautstarke “Stadtschrei” hallt durch den Raum
„Zum einen wollen die Eltern ihre Kinder versorgt wissen“, sagt Melanie Rehm, von der das Ferienprogramm geleitet wird. „Aber ich habe das Gefühl, dass auch viele, die nicht zwingend eine Kinderbetreuung benötigen würden, ihre Kleinen hierherschicken.“ Spaß, Sympathie, aber auch gegenseitiger Respekt sind Teil der Stadtregeln. Garantiert wird das vor allem von den Betreuern, die trotz „Hobbystatus“, durchaus versiert in den jeweiligen Berufen sind. So ist zum Beispiel eine Schneiderin, die von Zeit zu Zeit von Schulen angefragt wird, mit dabei. Und wenn die Kinder mal keine Lust mehr auf ihre Arbeit haben? „Das ist eingeplant“, sagt Siweck.
Es wird nicht ausarten
Rehm ergänzt: „Aus der Erfahrung anderer Kinderstädte wissen wir, dass es nicht ausarten wird, da die Kinder in der Regel ja gerne beschäftigt sind. Ich bin froh über unser vielfältiges Programm!“ Dieses startet nach dem Kennenlernen und gemeinsamen Mittagessen. Bevor es aber dazu kommen kann, muss die Bürgerversammlung zunächst mit dem dreifachen „Stadtschrei“ beendet werden. Wobei tatsächlich die Energie einer kleinen Stadt von den Holzwänden widerhallt. Melanie Rehm ist zufrieden: „Das war ein guter Dynamik-Anstoß für die Woche!“