Mich interessiert, wie eine Russin und eine Ukrainerin den Russland-Ukraine-Krieg empfinden, wie sie sich in der Situation fühlen und was sich beide in Zukunft erhoffen. Deshalb habe ich der Russin N. Wladimirowna und der Ukrainerin A. Boyko (Namen geändert) während eines Telefoninterviews einige Fragen gestellt.
Interview mit einer Russin und einer Ukrainerin
Danke Frau Wladimirowna und Frau Boyko, dass Sie sich heute Zeit für das Telefoninterview genommen haben. Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine beschäftigt uns nun schon seit einiger Zeit. Wie fühlen Sie sich denn in der momentanen Lage?
Wladimirowna: Anfangs fühlte ich mich noch sicher, da ich dachte, dass es nur ein minimaler Konflikt wäre und dieser sich schnell wieder lösen wird. Als ich mitbekam, dass erstmals auf Zivilisten geschossen wurde, realisierte ich, dass dieser Konflikt nicht so schnell wieder vorbei sein wird. Seitdem habe ich jedes Mal ein unwohles Gefühl, wenn ich etwas über den Krieg höre.
Boyko: Seit der Krieg angefangen hat, habe ich Angst und Sorge um meine Verwandtschaft, die sich noch in der Ukraine befindet. Ich versuche, bei jeder Gelegenheit, mit ihnen zu reden und mich dadurch zu vergewissern, dass es allen von ihnen gut geht.
Was halten Sie beide denn vom Krieg?
Wladimirowna: Vom Krieg halte ich nichts, meiner Meinung nach ist er nutzlos und brutal. Ich empfinde es als sehr schlimm, dass in Kriegen Millionen von Menschen schwer verletzt werden oder sterben.
Boyko: Meiner Meinung nach sollte nirgendwo auf der Welt Krieg herrschen. Es ist sehr schade, dass die meisten Staatsoberhäupter, Diktatoren oder Politiker Konflikte immer mit Kriegen gewinnen wollen.
Da haben Sie recht. Wie lange, glauben Sie, wird der Krieg noch andauern?
WladimirownaIch hoffe, dass der Krieg so schnell wie möglich enden wird und alles einigermaßen wieder zur Normalität zurückkehren wird.
Boyko: So wie es gerade aussieht, wird der Krieg leider noch eine Weile andauern. Ich bin mir auf jeden Fall sicher, dass Putin nicht kampflos aufgeben wird.
Wie ich gerade herausgehört habe, Frau Boyko, glauben Sie, dass Putin nicht kampflos aufgeben wird. Aber was ist mit Ihnen, Frau Wladimirowna, sind Sie derselben Meinung?
Wladimirowna: Was diesen Punkt betrifft, muss ich Frau Boyko zustimmen. Putin wird auf jeden Fall nicht kampflos aufgeben, aber genau das ist bemerkenswert. Bevor der Krieg ausbrach, war ich mit fast allen seinen Entscheidungen einverstanden. Doch seit er den Krieg angefangen hat, bin ich nicht mehr so von ihm überzeugt, wie ich es einmal war.
Frau Boyko, in einer von meinen vorherigen Fragen, haben Sie erwähnt, dass sich zurzeit noch Verwandte von Ihnen in der Ukraine befinden. Wo genau befinden sie sich? Sind sie in ihrem Wohnort vom Krieg besonders stark betroffen?
Boyko: Meine Cousine, ihr Mann und ihre drei Kinder haben vor Kriegsausbruch noch in der Stadt Sjewjerodonezk friedlich gelebt. Aufgrund dessen, dass die russische Armee Richtung Sjewjerodonezk marschiert ist, sind sie alle sicherheitshalber zu meiner Tante nach Poltawa geflüchtet. Dort ist die Situation entspannter, trotzdem sind die Menschen in Poltawa auch angespannt. Die ukrainische Regierung hat jedem empfohlen, einen Notkoffer zu packen.
Wissen Sie, wie die Kinder Ihrer Cousine mit dieser Situation klarkommen?
Boyko: Meine Cousine meinte am Telefon, dass die beiden jüngeren Söhne noch nicht so richtig den Ernst der Lage verstehen. Der Älteste hingegen ist die ganze Zeit in Sorge und vermisst seine Freunde in Sjewjerodonezk.
Verständlich, dass er sich so fühlt. Ist eine von Ihnen wegen des Krieges von fremden Personen angegangen worden?
Wladimirowna: Ja, und zwar in letzter Zeit schon öfters. Erst letztens wurde ich in der Stadt von einem Mann wütend beschimpft, ob ich stolz darauf wäre Russin zu sein. Und er spuckte mir daraufhin vor die Füße. Ich war über diese Aktion gleichzeitig sauer und geschockt.
Boyko: Zum Glück hatte ich bisher noch nicht solche Erfahrungen. Auch wenn viele Menschen für die Ukrainer sind, gibt es auch Menschen, die für Russland und damit gegen uns sind.
Das war auch schon meine letzte Frage. Vielen Dank, dass Sie mir die Fragen beantwortet haben.
Mia Radic, Klasse 9b
Realschule Linkenheim